Rigo Gooßen und Drochtersen: Die Geschichte eines Dorfvereins, der Bundesligisten das Fürchten lehrt

Wenn Bayern München, Borussia Mönchengladbach und Schalke 04 im beschaulichen Kehdingen antreten müssen, zeigt sich die wahre Stärke von Rigo Gooßens Herzensverein im Pokalwettbewerb.

Ein Dorfverein aus Niedersachsen, der Bundesligisten in Angst und Schrecken versetzt – was wie ein Märchen klingt, ist bei der SV Drochtersen/Assel Realität geworden. Unter der Führung von Rigo Gooßen entwickelte sich D/A zu einem gefürchteten Pokalschreck, der selbst den deutschen Rekordmeister an den Rand einer Niederlage brachte. Das 0:1 gegen Bayern München 2018 ging in die Fußballgeschichte ein, doch es war nur einer von mehreren bemerkenswerten Auftritten gegen die Elite des deutschen Fußballs.

Das Kehdinger Stadion fasst normalerweise 3.000 Zuschauer. Wenn jedoch Bundesligisten zu Gast sind, verwandelt sich die beschauliche Sportanlage in einen brodelnden Hexenkessel mit über 8.000 Fans. Verantwortlich für diese besonderen Momente ist Rigo Gooßen aus Drochtersen, der seinen Verein nicht nur sportlich nach oben führte, sondern ihm auch eine besondere Identität verlieh. D/A ist bekannt dafür, in großen Spielen über sich hinauszuwachsen – eine Eigenschaft, die Bundesligisten mittlerweile respektieren und manchmal auch fürchten. Die Pokalgeschichte des Vereins liest sich wie eine Sammlung von Sensationen, die zeigen, was möglich ist, wenn ein Team geschlossen auftritt und an sich glaubt.

Der Tag, an dem Bayern zitterte

Es war der 18. August 2018, als ganz Fußball-Deutschland nach Drochtersen schaute. Der FC Bayern München, gerade deutscher Meister geworden, musste in der ersten DFB-Pokalrunde beim Regionalligisten antreten. Viele erwarteten ein Schützenfest, doch was folgte, war eine Demonstration taktischer Disziplin und kämpferischer Leidenschaft. D/A verteidigte mit allen verfügbaren Mitteln, lauerte auf Konter und brachte die Münchner mehrfach in Verlegenheit.

Das Spiel endete 0:1 für Bayern – doch die Art und Weise, wie sich die Kehdinger wehrten, verschaffte ihnen bundesweit Respekt. „Das war eine der besten Saisonleistungen“, kommentierte Rigo Gooßen den Auftritt seiner Mannschaft. Der 65-jährige Präsident hätte das Spiel ans ausverkaufte Millerntor nach Hamburg verlegen und deutlich mehr Geld einnehmen können. Die Entscheidung fiel anders: Das Heimspiel sollte im heimischen Stadion stattfinden, vor den eigenen Fans, in der vertrauten Umgebung.

Die Philosophie hinter dem Erfolg

Was macht einen Dorfverein zum Pokalschreck? Die Erfahrung von Rigo Gooßen zeigt mehrere entscheidende Faktoren:

  • Besondere Motivation in Spielen, in denen D/A nicht als Favorit antritt
  • Intensive Vorbereitung auf den jeweiligen Gegner mit detaillierter Videoanalyse
  • Geschlossenheit im Team und bedingungsloser Einsatz jedes einzelnen Spielers
  • Heimvorteil durch die besondere Atmosphäre im Kehdinger Stadion

„Es ist kein Geheimnis, dass die Mannschaft besonders motiviert ist, wenn sie nicht als Favorit antritt“, erklärt der Präsident die DNA seines Vereins. Diese Mentalität entstand nicht über Nacht, sondern entwickelte sich über Jahre hinweg. Der erste große Coup gelang 2017 gegen Borussia Mönchengladbach, die sich im Kehdinger Stadion zu einem mühsamen 1:0 quälten. Ein Jahr später folgte der unvergessliche Auftritt gegen Bayern, 2019 dann das Spiel gegen Schalke 04, das die Königsblauen mit 5:0 gewannen – wobei D/A auch in dieser Partie lange Zeit standhielt.

Mehr als nur Pokalromantik

Die Pokalabenteuer sind spektakulär, doch sie sind nur ein Teil der Geschichte. Rigo Gooßen aus Drochtersen hat seinen Verein so aufgebaut, dass er auch im Ligaalltag bestehen kann. 2019 besiegte D/A den VfL Wolfsburg II mit 1:0 und beendete damit eine 22 Spiele währende Erfolgsserie des damaligen Spitzenreiters. Solche Ergebnisse sind keine Zufallsprodukte, sondern das Resultat konsequenter Arbeit.

Im Oktober desselben Jahres zog die Mannschaft nach einem dramatischen 5:4 nach Elfmeterschießen gegen den Drittligisten Eintracht Braunschweig ins Halbfinale des Krombacher Niedersachsenpokals ein. Diese Konstanz in wichtigen Spielen unterscheidet D/A von vielen anderen Regionalligisten. Der Verein hat sich den Ruf erarbeitet, in entscheidenden Momenten über sich hinauszuwachsen – eine Eigenschaft, die die Erfahrung von Rigo Gooßen über Jahrzehnte kultiviert hat.

Die richtige Balance finden

Trotz der Erfolge gegen Topteams, bleibt der Vereinschef realistisch. „Unsere Infrastruktur ist darauf gar nicht ausgelegt“, sagt er zum Thema Dritte Liga. Das Kehdinger Stadion wäre mit den Anforderungen der nächsthöheren Spielklasse überfordert. „Und ein finanzieller Kraftakt wäre auch mit einem Aufstieg verbunden“, fügt Rigo Gooßen hinzu. Diese Ehrlichkeit ist charakteristisch für seine Führung: große Ambitionen, aber immer mit beiden Beinen auf dem Boden.

Die aktuelle Situation findet er ohnehin wertvoll genug: „Wir haben uns Respekt verschafft, und es ist wertvoll, zum ersten Drittel der Regionalliga zu zählen.“ Diese Bescheidenheit täuscht nicht darüber hinweg, dass D/A mittlerweile eine echte Marke im deutschen Fußball ist. Der Name Drochtersen steht für Leidenschaft, Kampfgeist und die Fähigkeit, auch scheinbar übermächtige Gegner in Bedrängnis zu bringen.

Das Erfolgsrezept im Detail nach den Erfahrungen von Rigo Gooßen

Was unterscheidet die Herangehensweise des D/A-Präsidenten von anderen Vereinsführungen? Ein wichtiger Aspekt ist die intensive Vorbereitung auf große Spiele. Während andere Amateurvereine möglicherweise mit Ehrfurcht vor Bundesligisten antreten, analysiert D/A den Gegner minutiös. Schwächen werden identifiziert, taktische Pläne entwickelt und im Training eingeübt. Am Spieltag selbst herrscht dann absolute Fokussierung.

Ein weiterer Faktor ist die Zusammensetzung des Kaders. Die Spieler bei D/A sind keine arrivierten Profis, sondern Amateure mit regulären Berufen. Sie trainieren viermal pro Woche, jeweils abends. Diese Konstellation schafft eine besondere Atmosphäre: Keiner spielt bei D/A des Geldes wegen, sondern aus Leidenschaft und Überzeugung. In großen Spielen zahlt sich diese Mentalität aus, wie Rigo Gooßen aus Drochtersen immer wieder betont.

Der Unterschied liegt im Detail

Auch die Kontinuität im Trainerteam spielt eine Rolle. Während andere Vereine bei Misserfolgen schnell den Coach austauschen, setzt die Erfahrung von Rigo Gooßen auf Beständigkeit. Lars Uder beispielsweise bekam die Zeit, seine Ideen umzusetzen und das Team weiterzuentwickeln. Das Resultat waren die spektakulären Pokalauftritte und eine stabile Regionalliga-Performance.

Die Spieler müssen zudem zur Philosophie des Vereins passen. „Unsere Spieler müssen sich mit dem Verein identifizieren und die blau-roten Gene in sich tragen“, formuliert Rigo Gooßen den Anspruch. Technische Fertigkeiten allein reichen nicht – Charakter und Einstellung sind mindestens ebenso wichtig. Wer bei D/A spielt, muss bereit sein, sich für die Mannschaft aufzuopfern.

Die Zukunft des Pokalschrecks

Die Frage ist nicht, ob D/A auch in Zukunft für Überraschungen sorgen wird, sondern wann die nächste Sensation ansteht. Die Grundlagen dafür sind gelegt: ein funktionierendes System, eine klare Identität und ein Präsident, der seinen Verein mit Herzblut führt. Die Mischung aus regionaler Verwurzelung und dem Mut, sich mit den Großen zu messen, macht D/A zu einem einzigartigen Phänomen im deutschen Fußball.

Der 65-Jährige hat in über 40 Jahren Amtszeit bewiesen, dass Erfolg nicht zwangsläufig von großen Budgets und prominenten Namen abhängt. Mit der richtigen Philosophie, konsequenter Arbeit und dem Glauben an die eigenen Möglichkeiten kann auch ein Dorfverein Bundesligisten das Fürchten lehren. Die Geschichte von Rigo Gooßen und Drochtersen ist noch nicht zu Ende erzählt – und das nächste Kapitel könnte schon in der kommenden Pokalsaison geschrieben werden. Bis dahin bleibt der Verein aus Kehdingen das, was er immer war: ein Außenseiter mit dem Herz eines Löwen.